Jeden Sonntagabend zieht die evangelische Gemeinde doppelt so viele Christen an wie die traditionelle evangelische Gemeinde. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrtausends waren es 52 Mio., heute sind es knapp eine halben Milliarde: In einem Jahr haben die Evangelisten die Erde eingenommen. Der Enthusiasmus ist allumfassend und lässt einen Blick auf die alten Traditionskirchen auf allen Kontiden.
Aber auch für das christliche Glauben eröffnen die Evangelischen neue Aussichten. Evangelikale sind auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. Beliebt wie überall sind die aus den USA importierten Pfingstkirchen oder Charismatiker, die sich auf den Einfluss von Gott und seinen Wundern im täglichen Gebrauch konzentrieren.
Inwiefern lässt sich ihr Fortschritt in wohlhabenden Staaten wie der Schweiz nachweisen? Die Vorstellung einer menschlichen Verbindung zu Gott, der in unserer von Abgeschiedenheit geprägten, stark individuellen Lebenswelt, die Gebetsanliegen erhören, Krankenheilung betreiben und Heilungswunder vollbringen kann, korrespondiert mit einem geistigen Nöten. Dies ist auch auf die Wanderung und den Impuls der sogenannten Volkskirchen zurückzuführen, die besonders in den Großstädten vorzufinden sind.
Für Afrikaner oder Südamerikaner fungieren diese beiden Gebäude als eine Form von Eingangsschleuse. ch: Mit diesen Gemeinden sollte jeder schnell zu konkreten Lösungsansätzen für seine Anliegen kommen, ob sie nun metaphysischer, psychologischer, physischer oder materieller Natur sind. Üben diese Gemeinden eine Form der Indiviualisierung, ja sogar eine Religionsvermarktung aus? Bei uns lebt eine individualisierte Gemeinschaft, die auf Gefühlen beruht und die auf der Suche nach Identität großen Wert legt.
In der evangelischen Diskussion geht es um die gegenwärtigen Bedürfnisse. Glauben ist keine Fortpflanzung der Gemeinschaft, sonst würde er sein Wesen einbüßen. Der Evangelikale hat erfolgreich eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Gemeinschaft und ihren Leistungen angestoßen. Der Evangelikale besteht größtenteils auf individuellen und geistlichen Begabungen. Wenn sie sich zu sehr an die allgemeine Gemeinschaft anpasst, wird sie sich beruhigen und die Arbeitsmoral der Zealots aushöhlen.
Aber wenn die Gruppe zu radikal ist, schließt sie sich vom restlichen Teil der Bevölkerung aus und verfehlt ihre Ausstrahlung. ch: Eine simple Aussage, Loslösung von den Traditionskirchen und Engagement für den Konservatismus: Sind die evangelischen Gemeinden das Gegenstück zu den Populistenbewegungen in der Kultur? O.F.: Evangelikale wurden oft beschuldigt, ihre Aussage oder Wirklichkeit zu erleichtern.
Dies ist teilweise richtig in Bezug auf das Verstehen des Evangeliums. Für das Evangelium. ch: In Nordamerika mischen sich die evangelischen Gemeinden mit den ultra-konservativen Gruppen. Gilt das auch für die Schweiz? Der Großteil der Evangelischen in Europa war feindselig gegenüber der Bush-Regierung und dem Irakkrieg. Wir haben in der Schweiz durchgeführte Studien ergeben, dass die Evangelischen genauso wählen wie die durchschnittlichen Schweizer, d.h. mehr nach vorne.
Dabei ging die Haelfte ihrer Stimme an die beiden protestantischen Gruppen, die rechte konservative Bundesdemokratische Union (EDU) oder die Evangelikale Volkspartei Mazedoniens (EPP), die in der politischen Zentrale steht. In Bezug auf die persönliche Sittlichkeit sind die Evangelisten zwar zurückhaltend, aber sie sind sehr progressiv in sozialen Angelegenheiten wie der Umwelt, was sich in der Achtung vor der Kreativität widerspiegelt.
Laut einer Untersuchung des NFP 58 trafen sich jedes Jahr 690'000 Menschen in der Schweiz, eine von 11, zu einem Religionsritual: 38% in der Schweiz, 29% in den reformierten Gemeinden, 14% in den reformierten Gemeinden und 11% in den islamischen Institutionen.
Außerdem stellten die Wissenschaftler fest, dass evangelikale Gemeinden jedes Mal an jedem Wochende zweimal so viele Christen wie protestantische und nur 25% weniger als katholische haben. Trotzdem sind nur 2% der Schweiz einer freien Kirche angehörig. Nach Angaben des Verbandes der Evangelischen Freien Gemeinden beteiligen sich mehr Glaubende an kirchlichen Diensten als sie Mitglied haben - mit einer Teilnahmequote von 111%.
Allerdings gibt es Differenzen zwischen den Freikirchen: Die charakteristischen Kongregationen (Pfingstgemeinde, ICF) zeigen das größte Zuwachs. Während die konfessionellen Gemeinschaften (Evangelischer Brüderverein, Aktionsbibliothek) ausfallen, bleibt die klassische Gemeinschaft (Chrischona Gemeinschaft, FEG, Freier Evangelischer Gemeinde) intakt.