Die " Diagoba ", auch in der Innenstadt von Thun, verfügt über eine Dancefloor für deutsche Rockfans. Michaela geht locker in diesen Kleinkosmos, jubelt, lacht, tanzend. Emmanuel Lebet, 39, ist außerdem Präzisionsmechaniker bei der Rolex Luxusuhrenfabrik. Seit vielen Jahren ist er in der Szene, er ist dazugehörig wie ein Schwarzer im gotischen Kleiderschrank. "Die Gotik ist mein Leben", sagt er.
Die Beamtin der Stadtverwaltung Zürichs distanzierte sich von der schwarzen Hektik. Für mich ist es Schwarz, eine Hautfarbe, mit der sie beweisen will, dass sie anders ist und sich von der sogenannten Spaßgesellschaft unterscheidet. Manche ihrer besten Freunde sind keine Gothiker. "Sie musste ihren Großeltern zuerst erläutern, was Gotik ist und dass es nichts mit dem Teufel zu tun hat.
"Ich empfinde Black Magic und dergleichen als seltsam, ich kann damit nichts machen. "Michèle Saxer guckt nicht mal Gruselfilme. Ihr düsterer Geschmack hat der Gothic den Ruf eingebracht, Teufelskanzler zu sein, Opfer darzubringen und heimlich Fleisch in heimlichen Zeremonien zu saufen. Darüber hinaus übt die Gotik Bogenschießen und Armbrustschießen.
In der Zwischenzeit finden in der Ritterhalle Liebesszenen statt. "Nein", sagt Emmanuel Lebet. Diese Grenze ist für seinen Gaumen noch nicht überschritten. Emmanuel entdeckte dank der Szene das mittelalterliche Leben. "Seitdem geht Emmanuel zu jeder Feier, die in der Schweiz stattfinden wird. Die Gothic-Szene war vor 15 Jahren noch recht jugendlich.
Aber die Gotik betonte eine eher romantische Dimension des Lebens: Ihre Auflehnung war eine reinistische. Die Szene hat ihren Titel von den englischsprachigen Gothic-Romanen des ausgehenden und beginnenden neunzehnten Jahrhundert, die wie Mary Shelleys "Frankenstein" Makaber und Geheimnisse ausdrücken. Die Gotik kam erst Anfang der 80er Jahre nach Kontinentaleuropa.
Das Gruftis - unter diesem Titel waren die gotischen Liebhaber damals im deutschen Sprachraum bekannt - bezog sich ausschließlich auf die gesamteuropäische Zivilisation: Edelkelten, Teutonen, Mittelalter, Legenden, Hibiskus und Sage. Der Gothic wurde immer wieder für tot erklärt, aber die Szene und ihre musikalische Umsetzung überlebten den Techno-Trend auch. Wieviele Follower es in der Schweiz gibt, ist nicht bekannt - ihre Anzahl wird auf etwa 2000 geschätz.
Rund 700 "Schwarze" begegnen sich heute Nacht in Thun. Emmanuel ist nicht nur vom Hochmittelalter beeindruckt, sondern auch von den Königen und Deutschen. "Aufgrund dieser Verbundenheit wird der Gothic-Szene immer wieder vorzuwerfen gegeben, den NS-Ideen nahe zu sein. Das lehnt Emmanuel ab: "Wir sind völlig unpolitisch. Dennoch gibt es Gothiken, die gerne militärische Uniformen tragen und zu sehr an den Nazionalsozialismus erinnernde Zeichen wie die " Schwarzes Meer " anbringen.
In der Burg sehen Emmanuel und Michel neben einem kleinen Mann, der leicht als Doppelgänger der Stoßwippe Marilyn Manson durchkommen würde, beinahe gut angezogen aus: lange schwarzes Haar, kristallfreie Drucklinsen, ein Tätowieren auf dem Ärmel. Die beiden sind aber nicht müde. Erst wenn sie wieder in ihren Lebensalltag eintauchen, ist die Feier für sie vorbei.
Während sie als Schuldnerin am Schreibtisch Platz nimmt und Emmanuel luxuriöse Uhren veredelt.